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Allgemeine Spiel-Theorie des Xiangqi

Die Spielsteine unterteilen sich in drei Gruppen:

Die Soldaten

Von ihrer Ausgangsstellung aus ziehen sie einen Schritt und stehen gleich am Flussufer. In der Anfangsphase besteht ihre Aufgabe darin, Schanzenstein zu sein, über den die Kanone drohen kann, sowie im Blockieren gegnerischer Pferdeausflüge. Sie steigen erst im Rang, wenn sie über den Fluss gekommen sind. Dann beherrscht der Soldat 3 Punkte, die von keinem gegnerischen Stein betreten werden können. Insofern ist er der ideale Brückenkopf als Zwischenstation für aktive Steine, aber sein Unterhalt kostet Zeit und bindet Material, das der Gegner zu seinen Aktivposten aufrechnen kann.

Je näher Soldaten dem Palast sind, desto wichtiger werden sie. Ein Soldat im Palast ist schon einen ganzen Wagen wert. Ansonsten entsprechen 2 bis 3 Soldaten etwa einem Pferd oder einer Kanone. Häufig werden sie für einen eigenen flotten Angriff geopfert, einer freien Reihe oder Linie zuliebe abgetauscht oder einfach vor die Elefanten geworfen.

Der Feldherr

Der Feldherr ist die wichtigste Figur, da mit seiner Matt- oder Pattsetzung das Spiel beendet ist. Er steht auf der Mittellinie der Grundreihe zunächst gut geschützt und kann jederzeit Kanonen- oder Wagenangriffe auf seine komplette Verteidigungsstellung (KVS) auflaufen lassen. Der Feldherr hat den "Todesblick", der ab dem Mittelspiel zum Tragen kommt. Ihn auf die richtige Linie zu stellen ist eine Entscheidung, die der Rochade im abendländischen Schach gleich kommt. Man entscheidet sich natürlicherweise nach der schwächeren Seite des Gegners. Vielleicht weil ihm dort das Pferd fehlt, das die Palastecke deckt; aber auf jeden Fall achtet man immer darauf, dass diese Linie entweder für den eigenen Feldherrnblick offen bleibt und letztendlich immer vom eigenen Wagen besetzt werden kann oder anderweitig sicher ist.

Schwarz nimmt die Ausrichtung seiner „Kompletten Verteidigungsstellung“ am besten in der Eröffnungsphase vor, auch wenn dadurch Rot eine Angriffsmarke geliefert wird. Rot dagegen bringt seine Verteidigungsfiguren erst im Mittelspiel in Stellung. Aufziehen der komplette Verteidigungsstellung bedeutet: man teilt seine eigene Hälfte quasi noch einmal in zwei Hälften, deren Verbindungswege auf den letzten drei Reihen gekappt sind. Der Fürst hat seine Festung bezogen und nach Möglichkeit eine freie Sichtlinie zum gegnerischen Palast.

Im Endspiel erreicht der Feldherr seine stärkste Kraft. Nun kann er seinem „Kollegen“ eine ganze Linie sperren und sucht sie sich im Zusammenspiel mit seinen aktiven Figuren aus. In der Verteidigung ist er schwach und muss sich nicht selten vor einem Erstickungsmatt durch die eigenen Verteidiger hüten.

Der Wagen

Der Wagen ist die stärkste Figur. Er kommt frühzeitig ins Spiel und führt nicht selten mehrere Züge hintereinander aus. Seine defensive Aufgabe ist die Verhinderung von gegnerischen Pferde-, Kanonen- und Soldaten-Attacken und seine offensive Aufgabe die Verwirrung der sich aufbauenden Verteidigungspositionen und Zementierung eigener Angriffswege. Er operiert gerne vom eigenen oder gegnerischen Flussufer aus oder setzt sich im unteren Drittel des Gegners fest. Vor einer Kanonenopposition - auch wenn noch mehr als ein Stein dazwischen steht - sollte er sich hüten. Vor allem ab dem Mittelspiel kommen schon Stellungen mit Mattdrohungen vor, deren nachlässige Einschätzung zum unverhofften Abzug des gegnerischen Steines vor der Kanone im „falschen“ Moment führen kann. Ebenso sollte man vor Pferdeattacken auf der Hut sein und eine feste Stellung danach aussuchen. In der Eröffnung wird der Wagen, der die senkrechte Linie frei hat, als "natürliches" Druckmittel sehr bald gezogen. Eröffnungen mit einem roten waagrechten Wagen auf der 2.Reihe verkünden schon eine „abwartendere“ Strategie.

Die Kanone

Die Kanone ist eine Reihen und Linien sprengende und zusammenhaltende Figur. Sie beginnt ihre Aktivität hinter einem Schanzenstein. Von dort bezeichnet sie mögliche Angriffsmarken. In der gegnerischen Hälfte ist ihre Rolle häufig nicht der scheinbar offensichtliche Angriff, sondern ihr Einsatz als Blockadestein, womit sie besonders das Pferd nerven kann. Andrerseits kann sich die Kanone nicht selbst schützen, wenn sie keinen Schanzenstein mehr hat. Bei der Zusammenarbeit mit Pferd und Wagen besetzt sie im Idealfall die Mittellinie, bei einer Verteilung auf die Flanken, wo Pferd und Wagen getrennt operieren, sollte sich die Kanone für ihr bewährtes Zusammenwirken mit dem Pferd entscheiden.

In der Verteidigung wirkt die Kanone über lange Strecken. Sie kann bei geschlossenen Reihen als Verteidigungsfigur gleichzeitig eine Drohfigur auf offenen gegnerischen Linien sein und umgekehrt! Äußerst unangenehm sind für sie über den Fluss gekommene Soldaten. Diese Offiziere können ihren Aktionsraum Schritt für Schritt einengen und ihr die Schlagdrohungen aufheben. Insgesamt sind Offiziere eine gute Waffe gegen die Kanone. Im Endspiel kann die Kanone im Angriff nur bei Vorhandensein von gegnerischen Leibwächtern und in der Verteidigung nur mit eigenen Leibwächtern wirkungsvoll verwendet werden. Beim Gegner macht sie auf Reihe oder Linie den Abzug von einer an anderer Stelle nötig gebrauchten Figur unmöglich. In der letzten Verteidigung operiert die Kanone hinter den Leibwächtern als Schanzensteine, im elementaren Endspiel sogar im eigenen Palast auch hinter dem Feldherrn. Insgesamt ist die Kanone eher eine Droh- als eine Angriffsfigur. Ihre tatsächliche Stärke beruht auf ihrer hervorragenden Zusammenarbeit nicht als Doppel, sondern mit Pferd und Wagen.

90% aller Spieler ziehen bis zum 3. Zug die Kanone in die Mitte. Dort droht sie von Ferne dem anderen Feldherrn und die Verstärkung der Mittellinie und die sich verstärkenden Drohungen gegen ihre Verteidigungsfiguren sind die Essenz, von der die Eröffnungen leben. Es gibt nur eine Eröffnung mit dem nachdrücklichen Verzicht auf die Mittelkanone, die sogenannte „Fliegende Elefanten-Eröffnung", und diese bedarf tatsächlich einer gesonderten Besprechung.

Das Pferd

Das Pferd ist eine gleich geschickte Verteidigungs- und Angriffsfigur. Nur das Pferd mit seinen Zickzackzügen kann in die Lücken einer kompletten Verteidigungsstellung eindringen, ihre Verbindungsstraßen blockieren und vor allem mit Hilfe der Kanone und/oder des Wagens durch das Erzwingen von Leibwächter- oder Elefantenmanövern sogar gefährliche Mattpositionen androhen. Wenn ab dem Mittelspiel die blockierenden Steine weniger werden, ist seine Schnelligkeit enorm. Es steht mit drei Zügen vor dem Palast.

Am Anfang lässt man eines zum Eigenschutz zurück und geht mit dem anderen zum Flussufer, um Schwachpunkte auszuspähen oder Verbindungslinien zu blockieren. Als Verteidiger hält es die Mittellinie und ist meist selbst durch die Kanone vor Wagenangriffen in der Flanke geschützt. Unangenehm wird es, wenn der Wagen den Angriff auf die Pferdebeine ausführt, sich also auf den Ausgangspunkt des Stallwächters stellt. Hier hilft es wirklich nur, mit der Kanone hinter dem Pferd den Wagen von der Elefantenlinie zu vertreiben, ein Manöver, das dem Angreifer immer ein Tempo für seine Entwicklung schenkt. Wegen der potentiellen Durchschlagdrohung bis auf den gegnerischen Elefantenpunkt auf der Grundreihe kommt dieses Manöver jedoch immer wieder vor.

„Das Pferd am Rand“ ist im Xiangqi „keine Schand’“, sondern ein die Stellung stabilisierender Zug, der auf der entsprechenden Seite alle Verteidigungsfiguren harmonisch verbindet und auch der seitengleichen Kanone im Bedarfsfall einen gedeckten Punkt liefert. Die Kraft der Pferde nimmt gegen das Endspiel immer mehr zu, im Doppel besiegen sie eine allein gelassene komplette Verteidigungssstellungen! Da Patt im XiangQi Matt ist, langt auch eins, um mit Hilfe des Feldherrnblicks einen nackten gegnerischen General zur Strecke zu bringen. Das Pferd greift auch gern von hinten an und ist der ideale Partner für Kanone und Wagen.

Noch mal zum Soldaten:

Der Soldat als Schanzen- und Blockadestein ist in seiner Opferrolle schon gewürdigt worden. Tatsächlich gelingt es in einem Spiel mitunter durchaus, zwei Soldaten hinüberzubekommen. Als Trio sind sie schon Gegenstand der klassischen Xiangqi-Problem-Theorie. „Oben“ heißt der Soldat auf den ersten zwei Linien im gegnerischen Gebiet, „unten“, wenn er sich dem Palast noch mehr nähert. Als Veteran auf der letzten Reihe ist er meist nutzlos, aber Endspielproblemautoren finden mit ihm zu verblüffenden Sieg- oder Unentschiedenlösungen. Insgesamt sind aber Veteranen auf der Grundreihe mehr ein Problem für den Kunstschachfreund.

In der Verteidigung taugen Soldaten fast gar nichts. Wo man kann, gibt man der offenen Reihe ihrer Existenz den Vorzug. In der Eröffnung zieht man meist nur eine Stallwache. Mit dem beginnenden Mittelspiel fängt ihre Gambitrolle an. Im Endspiel kann aber ein vergessener Aufzug eines Randsoldaten leicht den Vorhandverlust einbringen! Schließlich wird er über dem Fluss zu einer nachhaltigen Kraft. Man sollte also die Soldaten, die nach dem ersten taktischen Schlagabtausch übrig geblieben sind, aufmerksam im Auge behalten.

Nach dem Eröffnungszug mit der Mittelkanone beginnt die Uhr für den Mittelsoldaten zu ticken. Seine zentrale Stellung macht ihn "naturgemäß" zum Opfer diverser direkter oder flankenartiger Schlagabtäusche. Ein Mittelsoldat über dem Fluss verlässt das Ufer meist als herausgeschlagener Stein, aber der um ihn entstandene Kampfverlauf hat nun die Positionen für die nächste Phase geschaffen.

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